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Geschichte
Anfänge
Nachdem in sämtlichen österreichischen Ländern seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts landesgeschichtliche Vereine entstanden waren, erfolgte auch in Niederösterreich, wo landeskundlich-topographische Bestrebungen bereits eine längere Tradition hatten, die Einrichtung einer historisch-wissenschaftlichen Gesellschaft. Die entscheidende Initiative zur Gründung des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich ging von Moritz Alois Becker (1812–1887) aus, der gemeinsam mit Gleichgesinnten im März 1864 eine Eingabe an den niederösterreichischen Landtag richtete. Die konstituierende Versammlung zum Zweck der Gründung des Vereins fand am 3. Juni 1864 im niederösterreichischen Landhaus zu Wien statt. Als Vereinsziele wurden die Erforschung des Landes und die Popularisierung der gewonnenen Erkenntnisse festgelegt. Diesen Zielen entsprechend wurde der Schwerpunkt auf eine groß angelegte Vortragstätigkeit und regelmäßig erscheinende Vereinspublikationen gelegt – Aktivitätsfelder, die bis heute die hauptsächlichsten Aufgaben des Vereins darstellen. Als erste große Projekte wissenschaftlich-topographischer Vereinstätigkeit gelten die „Administrativkarte von Niederösterreich“ (Maßstab 1:28.800) und die „Topographie von Niederösterreich“.
Krisen und deren Bewältigung
Eine aus Mitgliederschwund und Nachlassen der Werbekraft resultierende Krise musste in den Jahren um 1900 überwunden werden. Zu dieser Zeit erfolgte auch eine Ausweitung der wissenschaftlich-landeskundlichen Disziplinen auf Geografie und Landschaft sowie auf kunstgeschichtliche Forschungen. In den Jahren rund um sein 50-jähriges Bestehen war der Verein für Landeskunde von Niederösterreich die mitgliederstärkste gesellschaftliche Vereinigung im deutschen Sprachraum.
Eine Zäsur stellte der Erste Weltkrieg dar, währenddessen immerhin die Vortragstätigkeit des Vereins aufrechterhalten werden konnte. Dennoch brachten Kriegs- und Nachkriegsjahre massive Auswirkungen auf den Vereinsbetrieb mit sich: Tod und Verwundung von Mitgliedern waren zu beklagen; Subventionen blieben aus – man denke nur an die Trennung von Wien und Niederösterreich 1920 – oder verblieben auf Vorkriegsstand. Dessen ungeachtet steigerte sich die Mitgliederzahl, doch blieb die wirtschaftliche Lage des Vereins aus verschiedenen Gründen prekär.
Im Jahr 1925 kam es zur Vereinigung des Vereins für Landeskunde von Niederösterreich mit dem „Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz in Niederösterreich“, einer seit 1903 existierenden, um praktischen Heimatschutz bemühten Institution.
Die nächste bedeutende Zäsur bildete die Annexion Österreichs im Jahr 1938. Die in den ersten Monaten danach bestehende Gefahr einer Auflösung des Vereins konnte überwunden werden, wenngleich schwerwiegende Zugeständnisse zu machen waren: „Arier-Paragraph“ und „Führerprinzip“ wurden nun auch in den Statuten verankert. Kriegsausbruch und -verlauf bedingten eine Schmälerung des Publikationsbetriebs; der gesamte Verein musste im Jahr 1946 neu etabliert werden. Allerdings blieb er teilweise in früheren (und nicht wenig kompromittierten) Händen: Die Folgen bestanden zwar in der Wahrung einer gewissen Kontinuität, zugleich jedoch auch in der Weigerung, sich mit den Jahren 1938–1945 in angemessen (selbst)kritischer Weise auseinanderzusetzen.
Eines der großen Nachkriegsprojekte des Vereins war der gemeinsam mit der Akademie der Wissenschaften getragene „Atlas von Niederösterreich“. Auch das „Historische Ortsnamenbuch von Niederösterreich“ wurde in jener Zeit initiiert.
Die Jahrzehnte seit 1964
Der in den 1970er Jahren vor sich gehende Generationswechsel, verbunden mit allgemein wirksamen Veränderungen in der Geschichtswissenschaft, führte zu einer stärkeren Berücksichtigung neuerer Epochen, wobei der regionalen Zeitgeschichte besondere Bedeutung zukam – und weiterhin zukommt. So konnte sich auch in den Vereinspublikationen neben den herkömmlichen Disziplinen (von Mediävistik bis Volkskunde, von Siedlungsforschung bis Verfassungsgeschichte) einerseits die Ur- und Frühgeschichte behaupten, andererseits eine Ausweitung auf andere Forschungsbereiche erfolgen. Naturwissenschaften wie Zoologie und Botanik konnten jedoch im Spektrum des Veröffentlichten nur eine Nebenrolle einnehmen. Unter den jüngeren Vereinspublikationen erzielte die von Elisabeth Schuster von 1989 bis 1994 erarbeitete „Etymologie der niederösterreichischen Ortsnamen“ großen Erfolg; sie verstand sich als Fortsetzung von Weigls „Ortsnamenbuch“. Diese angesichts des regen Publikationsbetriebs günstige Entwicklung wurde lediglich durch eine negative Mitgliederbilanz getrübt, die auf Einsparungsbestrebungen bzw. altersbedingtem Ausscheiden von Mitgliedern beruhte.
Die Übersiedlung der Landesdienststellen nach St. Pölten 1997 sollte langfristig Folgen haben: Sowohl das NÖ Landesarchiv (samt NÖ Institut für Landeskunde) als auch die NÖ Landesbibliothek eröffneten damals ihre neuen Häuser in der neuen Landeshauptstadt; diese Veränderungen mündeten nicht nur in eine neue Situation für die aktiven Vereinsfunktionäre, sondern in eine Neustrukturierung des Vereins- und speziell des Vortragsbetriebs.
Präsidenten des Vereins
- Dr. Adolf Freiherr von Pratobevera (1864–1873)
- Ernst Karl Graf Hoyos-Sprinzenstein (1874–1903)
- Franz Graf Colloredo-Mannsfeld (1904–1925)
- Dr. Anton Viktor Ritter von Felgel-Farnholz (1925–1930)
- Dr. Anton Becker (1930–1955)
- Univ.-Prof. Dr. techn. Dipl.-Ing. Adalbert Klaar (1955–1976)
- Dr. Otto Friedrich Winter (1976–1991)
- Univ.-Prof. Dr. Helmuth Feigl (1991–1997)
- Dr. Hermann Riepl (1997–2003)
- Dr. Anton Eggendorfer MAS (2003–2021)
- PD Mag. Dr. Roman Zehetmayer (2021–)
Sekretäre bzw. Generalsekretäre des Vereins
- Dr. Hippolyt Tauschinsky (1864–1865)
- Dr. Anton Mayer (1865–1905)
- Dr. Max Vancsa (1906–1927)
- Univ.-Prof. Dr. Karl Lechner (1927–1970)
- Dr. Rudolf Broinger (1970–1973)
- Univ.-Prof. Dr. Helmuth Feigl (1973–1991)
- Dr. Silvia Petrin (1991–1994)
- Mag. Dr. Willibald Rosner MAS (1994–2018)
- MMag. Günter Katzler (2018–)